Strompreisbildung in Deutschland: Pay-as-Clear, Uniform Pricing und der markträumende Preis

Die Strompreisbildung folgt im Großhandel in Deutschland bestimmten Regeln. Drei Begriffe sind dabei zentral: Beim Uniform Pricing zahlen alle Kunden auf einem Markt denselben Preis für ein Gut. Im Strommarkt wird dieser Einheitspreis auf Pay-as-Clear-Auktionen ermittelt. Also so, dass die Strommenge immer den Bedarf deckt. Es wird also ein markträumender Preis gebildet.

Definition

Die Strompreisbildung am Großmarkt folgt in Deutschland weitgehend marktwirtschaftlichen Gesetzen. Wie viele andere Großhandelspreise wird auch der Strompreis durch regulatorische Markteingriffe auf Produzentenseite verzerrt, zum Beispiel durch Förderungen, Steuern und CO2-Bepreisung. Die Preisbildung an der Strombörse selbst erfolgt dann aber nach wettbewerblichen Kriterien.

Wie funktioniert die Strompreisbildung an der Strombörse?

In Deutschland wird börsengehandelter Strom an den Spotmärkten in Auktionen gehandelt, also am Day-Ahead- (Vortags-) und – seit Mitte 2024 – auch im Intraday-Handel, also am Liefertag selbst. Zusätzlich gibt es den sogenannten kontinuierlichen Intraday-Handel.

Bei den Auktionen bieten alle Stromerzeuger ihren Strom zu dem Preis an, zu dem sie bereit sind zu liefern. Die Zuschläge werden nacheinander vom niedrigsten zum höchsten Gebot erteilt, bis der gesamte Strombedarf gedeckt ist. Der Strompreis aus dem letzten Gebot gilt dann für alle Anbieter – egal, wie hoch ihr eigenes Gebot war.

Pay-as-Clear, Uniform Pricing und der markträumende Preis

Da am Ende weder Strom übrig noch ein Käufer mit einer Zahlungsbereitschaft über dem Clearing-Preis leer ausgegangen ist, spricht man auch von einem markträumenden Preis, auf Englisch: market clearing price. Der Auktionsmodus heißt deshalb auch Pay-as-Clear. Da dieser Modus vorsieht, dass am Ende alle Anbieter den gleichen Preis erhalten, spricht man auch von Uniform Pricing.

Gebotspreise im kontinuierlichen Intraday-Handel

Im Unterschied zu Day-Ahead- und Intraday-Auktionen wird der Strompreis im kontinuierlichen Intraday-Handel nicht stundenweise auf Pay-as-Clear-Auktionen versteigert, sondern im Pay-as-Bid-Verfahren. Das heißt: Transaktionen können zu jedem Zeitpunkt für jeden Zeitpunkt des Tages abgewickelt werden. Solche Handelsgeschäfte finden immer dann statt, wenn der Bid-Preis (Angebot eines Käufers) gleich groß oder höher ist als der Ask-Preis (Verkaufsangebot eines Anbieters). Es handelt sich also nicht um eine Auktion, sondern um einen kontinuierlichen Handel – vergleichbar mit Wertpapierbörsen.

Termin-, Day-Ahead- und Intraday-Handel

Als Terminmarkt gilt jedes Geschäft mit einer Lieferung mehr als 24 Stunden vor dem Handel, der maximale Vorlauf beträgt sechs Jahre. Laut der Europäischen Strombörse EEX liefen 2023 knapp 92 Prozent der Stromtransaktionen in Deutschland über den Terminmarkt. Dabei wechselt der Strom, beziehungsweise die Zertifikate für künftige Lieferungen (Futures), oft mehrmals den Eigentümer, bevor der Strom letztendlich geliefert wird. 2023 betrug das gehandelte Volumen dadurch mehr als das 20-Fache der produzierten Strommenge.

Balkendiagramm zeigt das jährliche Stromhandelsvolumen von 2014 bis 2023 an Strombörse und over the counter gestapelt. Das Börsenvolumen steigt nahezu stetig von 382 auf 724 TWh, das OTC-Volumen steigt unstetig von 1570 auf 8661 TWh.

Der Stromhandel sn Börsen und OTC wachsen kontinuierlich. Der Anteil des OTC-Handels ist dabei von 2014 bis 2023 von 80 auf 92 Prozent gestiegen. Quelle: EEX, eigene Darstellung

Day-Ahead- und Intraday-Handel werden auch als Spotmärkte bezeichnet. Für die Day-Ahead-Auktionen müssen alle Stromanbieter jeden Tag bis 12 Uhr angeben, welche Strommenge sie am nächsten Tag in welcher der 24 Stunden zu welchem Preis einzuspeisen bereits sind. Im Intraday-Handel werden nur 5 bis 10 Prozent des Stroms gehandelt. Dies geschieht in kontinuierlichen Transaktionen und in terminierten Auktionen. Ein weiterer Unterschied: Der Strom wird nicht nur stundenweise, sondern auch in Viertelstundenblöcken gehandelt.

Welchen Einfluss hat die Merit Order auf die Strompreisbildung?

Da am Ende einer Auktion alle gleich viel Geld für eine Megawattstunde Strom erhalten, haben Stromerzeuger keine Motivation zu spekulieren. Ein unnötig hohes Gebot hätte keinen Vorteil, würde aber das Risiko bergen, keinen Zuschlag zu erhalten.

Deshalb werden die Stromproduzenten ihre Gebote bei Pay-as-Clear-Auktionen stets an den Grenzkosten des jeweiligen Kraftwerks ausrichten. Das sind (ganz allgemein) die Kosten, die für die Produktion einer zusätzlichen Einheit (Strom) anfallen. Auf dem Strommarkt haben Solar- und Windparks die niedrigsten Grenzkosten, weil ihre Primärenergiequellen kostenlos sind. Die Erzeugung einer zusätzlichen Megawattstunde Strom durch konventionelle Kraftwerke kostet hingegen eine bestimmte Menge Brennstoff wie Kohle, Gas oder Öl. Zusätzlich müssen die Erzeuger eine entsprechende Menge CO2-Emissionszertifikate erwerben.

Da auf Auktionen die Gebote nach aufsteigender Reihenfolge den Zuschlag erhalten, kommen auch die Kraftwerke in der Reihenfolge nach aufsteigenden Grenzkosten (marginal costs) zum Zuge. Dies führt (fast) immer zu der gleichen Kraftwerks-Reihenfolge. Dieser Effekt auch wird Merit Order genannt, also etwa „Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit“. Inzwischen wird der Begriff auch verwendet, um die so entstehende Kraftwerks-Einsatzreihenfolge (Dispatch) selbst zu benennen.

Die Antwort auf die oben gestellte Frage lautet also: keinen. Denn was häufig missverstanden wird: Die Merit Order ist keine gesetzliche oder wie auch immer geartete Vorgabe, sondern ein ökonomisches Modell, das – ähnlich dem Marginal Pricing – einen marktwirtschaftlichen Mechanismus beschreibt, nicht vorgibt.

Balkendiagramm zeigt die Strompreise der verschiedenen Erzeugungsarten im deutschen Kraftwerkspark an. In aufsteigender Reihenfolge: Erneuerbare, Kernkraft, Braun- und Steinkohle im Wechsel, dann ebenfalls im Wechsel Öl- und Gaskraftwerke

Auch die Experten der Forschungsstelle für Energiewirtschaft FFE bezeichnen mit Merit Order inzwischen die Kraftwerks-Reihenfolge. Wichtig dabei: Der Begriff bezeichnet das Ergebnis eines Preisbildungsmechanismus, keine vorgegebene Ordnung. Quelle: FFE

Strompreisbildung im OTC-Handel

Obwohl die weitaus größte Strommenge in Deutschland "Over the Counter" (OTC) gehandelt wird, orientieren sich auch solche außerbörslichen, bilateralen Verträge stark an den Börsenpreisen. Der Grund: Bei größeren Abweichungen (über Börsengebühr und Händlerkommission hinaus) wäre die Börse für einen der beiden Handelspartner sonst schnell die attraktivere Option.

Beispiel zur Strompreisbildung in Deutschland

Am Day-Ahead-Markt

An einem fiktiven Sonntagmittag im Juni besagen die Prognosen für den Montag, dass die Erneuerbaren Energien Sonne und Wind zwischen 12 und 13 Uhr rund 43 Gigawattstunden Strom einspeisen werden. Der prognostizierte Bedarf beträgt 60 GWh

Da die Grenzkosten der Erneuerbaren Energien der Wind- und Solarparks nahe Null sind, kommen sie in jedem Fall zum Zuge. 4 GWh Biomasse-Strom fließt auch mit ein, weil nachhaltig erzeugter Strom Vorrang im Netz hat und gefördert wird.

Um die fehlenden 13 Gigawattstunden bewerben sich am Day-Ahead-Markt die konventionellen Kraftwerke. Die preisgünstigen Abfallkraftwerke liefern eine Gigawattstunde. Es sind also zusätzlich Kohlenkraftwerke gefordert. Da mehrere davon während der Nacht gebraucht wurden, bieten einige Betreiber ihre Leistung sogar unter den Grenzkosten an. Ihr Kalkül: Später am Tag werden sie wieder gebraucht: Das Auf- und Abfahren ist teuer, lukrativer ist es, sie nur leicht zu drosseln. Die Stromhändler des Kraftwerkbetreibers errechnen einen Grenzpreis von 31 Euro für eine Megawattstunde, zu dem sich die Lieferung eben noch lohnt. Damit ist der Markt geräumt und die Auktion endet mit 31 Euro. Dieser Preis gilt nun für jede Megawattstunde, die zu diesem Zeitpunkt gehandelt und am Folgetag zwischen 12 und 13 Uhr geliefert wird – egal aus welchem Kraftwerk sie stammt.

Am Intraday-Markt 

Bis zum nächsten Tag und dem eigentlichen Lieferzeitpunkt (t0), verschieben sich die Parameter noch einmal leicht.
Allerdings müssen alle Marktakteure („Bilanzkreisverantwortliche“) am Ende eines Liefertags jeden Bilanzkreis ausgleichen. Das bedeutet: Im Viertelstundentakt müssen die Marktakteure eine ausgeglichene Bilanz zwischen Ein- und Ausspeisung im Netz aufweisen. Können sie einen oder mehrere Bilanzkreise nicht über den Markt ausgleichen, müssen sie – in der Regel noch teurere – Ausgleichsenergie von den Netzbetreibern bezahlen.

Deshalb will jeder Bilanzkreisverantwortliche am Liefertag entstehende Unter- und Überkapazitäten auf dem Intraday-Markt „weghandeln“.

Fall 1: Unterkapazität 

Der Wind weht am Montag nicht so kräftig wie vorhergesagt, und da der Tag heißer wird als gedacht, erhöhen Klimaanlagen den Strombedarf etwas stärker als gedacht. Kohlekraftwerke können nicht schnell genug reagieren, um die fehlenden 2,5 Gigawattstunden einzuspeisen. Also springen effiziente Gas-und-Dampf-Kraftwerke ein. Die Gebote für diese neu versteigerten Megawattstunden liegen deutlich über 100 Euro. Wer zu wenig Strom in seinen Bilanzkreisen hat, muss in den sauren Apfel beißen, ihn dennoch am Intraday-Markt hinzuzukaufen. Wer zu viel hat, freut sich darüber, überschüssigen Strom zu vorteilhaften Preisen zu veräußern.

Da bereits 97 Prozent des verbrauchten Stroms für diesen Liefertag bis zum Mittag des Vortags verkauft waren, wirken sich die höheren Preise auf den durchschnittlichen Großhandelsstrompreis für diese Stunde nur begrenzt aus.

Fall 2: Überkapazität

Schon am Montagvormittag zeichnet sich ab, dass der Nachmittag deutlich wolkenloser wird, als am Vortag prognostiziert. Die Photovoltaik-Anlagen können also mehr Strom einspeisen als gedacht. Die Betreiber der konventionellen Kraftwerke werden zusehen, im Intraday-Handel verfügbaren Solarstrom für den Nachmittag einzukaufen. So können sie ihre eigene teure Produktion frühzeitig herunterfahren und ihre Lieferverträge aus dem Termin- und Day-Ahead-Geschäft zu niedrigeren Kosten erfüllen. Einen Teil des Bedarfs können sie in den neu eingeführten Pay-as-Clear-Auktionen decken. Den Rest kaufen sie im kontinuierlichen Intraday-Handel zu, wo die Preise von der momentanen Marktsituation und dem Geschick der Stromtrader abhängen, denn Einheitspreise gibt es hier nicht.

Das ABC des Stromhandels

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