Da Deutschland vor einer entscheidenden Wahl steht, möchten wir unsere Ansichten zur Energiepolitik und die wichtigsten Aspekte für Wähler teilen. Wir haben fünf grundlegende Thesen zusammengefasst, um dies kurz und knapp zu halten.
It’s the climate, stupid
In den Debatten über Energiepolitik verlieren Menschen oft den eigentlichen Grund für den Übergang zu einer Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien aus den Augen: die Klimakrise. Deutschlands wirtschaftlicher Abschwung, Sicherheitsbedenken und Migrationsfragen verblassen im Vergleich zur existenziellen Bedrohung durch unkontrollierte CO₂-Emissionen. Möglicherweise haben wir das 1,5-Grad-Ziel bereits gerissen, und die globalen Emissionen steigen weiter alarmierend an. Dies ist zwar entmutigend, doch gibt es Hoffnung: In führenden Volkswirtschaften entkoppelt sich das BIP-Wachstum zunehmend von den CO₂-Emissionen. Wind, Solarenergie und Energiespeicher sind zu tragfähigen, wettbewerbsfähigen Alternativen geworden. Doch eines muss klar sein: Der Übergang von einem fossilbasierten System zu einem wetterabhängigen, erneuerbaren Energiesystem ist herausfordernd und teuer. Die Energiewende bietet jedoch eine immense Wachstumschance für die Zukunft.
Wäre der Klimawandel kein Problem, wäre das Verbrennen von Gas und Kohle die einfachste und kostengünstigste Option, Strom zu erzeugen. Würde CO₂ mit null Euro bepreist und die Energiekosten entsprächen den US-Gaspreisen (derzeit ca. 14 USD/MWh), wären erneuerbare Energien auf absehbare Zeit in Deutschland nicht wettbewerbsfähig. Das ist eine unbestreitbare Tatsache. Doch in einigen (sonnigen) Regionen ohne ausgebautes Netz sind sie bereits heute vollkommen wettbewerbsfähig. Das 1-GW-Grundlastprojekt aus Solarerzeugung und Batteriespeicherung in den VAE ist bereits kostengünstiger als europäische Atomkraftwerke, doch solche Beispiele sind noch Ausnahmen. Wir müssen aufhören, so zu tun, als wären erneuerbare Energien per se günstiger als konventionelle Kraftwerke, wenn Netz- und Systemkosten eingerechnet werden. Sie sind komplex zu managen. Doch sie bieten eine große Chance, denn da die weltweite Energiewende unvermeidlich ist, werden diejenigen, die diese Technologien beherrschen, auch wirtschaftlich profitieren.
Deutschlands Energiewende ergibt nur dann Sinn, wenn wir als globaler Vorreiter agieren. Unser Erfolg misst sich daran, ob andere unserem Beispiel folgen. Die in Deutschland selbst emittierte CO₂-Menge ist im globalen Kontext nicht so entscheidend. Effizienz und Kosteneffektivität sind daher wichtig. Der letzte Schritt von 90 % auf 100 % Emissionsreduktion ist mit enormen Kosten und abnehmenden Grenznutzen verbunden. Deutschland muss kein perfekter Musterschüler sein, wenn dies unsere Wirtschaft zerstören würde. Wenn die Energiewende aufgrund hoher Kosten scheitert, wird uns niemand nacheifern.
Ein Beispiel: Die Debatte über wasserstofffähige Gaskraftwerke. Ihre Umrüstung ist extrem teuer und bringt kaum Emissionsvorteile, da sie selten laufen werden. Statt einer Fixierung auf absolute Null-Emissionen sollten wir geringe Restemissionen in Kauf nehmen, anstatt immense Ressourcen auf unrealistische Ziele zu verschwenden.
Unser Ziel muss es sein, globale CO₂-Reduktionen voranzutreiben. Dazu müssen wir ein Modell schaffen, das Nachahmer findet, und strategisch in unsere Stärken investieren. Selbstsabotage durch wirtschaftliche Selbstzerstörung für symbolische 100 % Emissionsfreiheit bringt niemandem etwas.
Fragen, die Sie jedem Energiepolitiker stellen sollten
„Wie trägt Ihr Vorschlag zu einer sinnvollen Reduktion der globalen CO₂-Emissionen bei?“
„Haben Sie kosteneffizientere Alternativen zur Reduzierung von CO₂-Emissionen in Betracht gezogen? Warum sollten wir Ihren Ansatz gegenüber günstigeren, wirkungsvolleren Lösungen priorisieren?“
Flexibilität ist der Schlüssel zur Stabilität
Die erste Phase der Energiewende haben wir erfolgreich gemeistert: die schnelle und kostengünstige Skalierung erneuerbarer Energien. Der starke Preisverfall bei Solar- und Windenergie (Runterkaufen der Lernkurve) ist wahrscheinlich bis-dato unser größter Beitrag zur Bekämpfung des globalen Klimawandels.
Der nächste Schritt ist die Maximierung der Flexibilität, um Kohle und später Gas schrittweise abzuschalten. Dazu müssen alle erneuerbaren Energien schaltbar sein und ihre Produktion drosseln können, wenn Preise negativ werden – eine Fähigkeit, die derzeit kleinen Anlagen fehlt. Auch der Stromverbrauch muss flexibler werden: Industriesubventionen für Grundlastverbrauch müssen sofort abgeschafft werden. Sie sind absurd und kontraproduktiv. Jedes Haus sollte einen Smart Meter haben, um Stromnutzung – etwa das Laden von E-Autos oder den Betrieb von Wärmepumpen – an die Verfügbarkeit von Strom aus Erneuerbaren anzupassen. Unser Versagen in diesem Bereich ist ein peinliches Versäumnis der deutschen Energiewende.
Großbatteriespeicher müssen massiv ausgebaut werden, ohne staatliche Eingriffe. Diese Technologien sind bereits wettbewerbsfähig – keine Subventionen erforderlich. Schnelle Netzanschlüsse genügen.
Und so unpopulär es auch klingen mag, wir müssen sofort Gaskraftwerke für Spitzenlastzeiten bauen. Ignorieren wir RWEs Forderungen nach Subventionen für Kapazitätsmärkte – wenn private Unternehmen Raketen ohne staatliche Unterstützung ins All schicken können, dann können sie sicherlich auch Gaskraftwerke in Deutschland finanzieren. Die Finanzmärkte sind hinreichend entwickelt, um dieses Risiko zu managen, und die jüngsten Preisspitzen von 936 €/MWh sollten Anreiz genug sein. der Energy-Only-Markt lebt!
Die Rolle der Regierung? Ein klares Bekenntnis: Keine Eingriffe in die kurzfristige Preisbildung und kein Kapazitätsmarkt. Sobald sich der Staat zurückzieht, könnte selbst RWE sich wieder daran erinnern, dass es ein privates Unternehmen ist, das ohne staatliches Händchenhalten investieren kann.
Fragen, die Sie jedem Energiepolitiker stellen sollten
„Wie unterstützt Ihr Vorschlag die Integration erneuerbarer Energien und verbessert die Netzflexibilität?“
„Ist Ihr Vorschlag eine notwendige und wirksame Maßnahme, oder führt er zu unnötiger Komplexität und Subventionen, die marktorientierte Lösungen behindern?“
Lage, Lage, Lage
Der deutsche Strommarkt postuliert eine einheitliche Kupferplatte, die einen einheitlichen Preis landesweit annimmt und Netzengpässe ignoriert. Dies ist eine Illusion, und die Realität holt uns schnell ein.
Um die Stromerzeugung und den Verbrauch geografisch zu optimieren, benötigen Märkte lokale Preissignale – doch das aktuelle System liefert keine. Während liquide Märkte an und für sich wertvoll sind, erfordern die hohen Kosten für Redispatch eine Lösung: Deutschland muss in mehrere Preiszonen aufgeteilt werden.
Heute führt ein Überangebot an Windenergie im Norden und eine hohe Nachfrage im Süden oft dazu, dass wir Windparks im Norden abschalten müssen, während gleichzeitig Gaskraftwerke im Süden hochgefahren werden. Dies ist kostspielig. Gleichzeitig werden regelmäßig Solarparks im Süden abgeregelt, wenn die Preise negativ werden, während Gaskraftwerke im Süden via Redispatch teuer betrieben werden. Das ist absurd ineffizient und kontraproduktiv. Batteriespeicher stehen vor ähnlichen Herausforderungen, da sie Netzengpässe nicht berücksichtigen können. Man könnte auch sagen: Erzeugungsanlagen müssen endlich wissen, wo sie stehen.
Auch dynamische lokale Netzentgelte sollten eingeführt werden. Eine Photovoltaikanlage auf einem Dach in Bayern kann wirtschaftlich weniger sinnvoll sein als eine in den Industriegebieten Berlins, wo die Nachfrage höher ist. Intelligentere Preissignale würden Investitionen besser an den tatsächlichen Systembedarf anpassen.
Märkte funktionieren am besten, wenn sie klare, lokalisierte Informationen erhalten. Preise sollten die Realität von Energieangebot und -nachfrage widerspiegeln – einschließlich geografischer Einschränkungen. So einfach ist das.
Fragen, die Sie jedem Energiepolitiker stellen sollten
„Stärkt Ihr Vorschlag Preissignale, um die Ressourcenallokation effizient zu optimieren, oder dient er in erster Linie engen regionalen Interessen?“
Size matters
Es ist an der Zeit, einer harten Wahrheit ins Auge zu sehen: Die Energiewende kann kein Wohlfühlprojekt für einzelne Hausbesitzer bleiben. Energiepreise sind sowohl für die Industrie als auch für Verbraucher von Bedeutung – das bedeutet, dass auch die Kosten entscheidend sind.
Eine Solaranlage auf dem Hausdach kostet 1.500 €/kW, während eine Großanlageninstallation nur 500 €/kW kostet – also dreimal weniger. Dieselbe Kostenungleichheit besteht auch zwischen Heimspeichern und großflächigen Batteriespeichersystemen (BESS). Kleinprojekte sind nur rentabel, weil sie das Eigenverbrauchprivileg bei den Netzentgelten und Umlagen ausnutzen und die Kosten auf andere verlagern. Doch je mehr sich diese Praxis der Eigenversorgung ausbreitet, desto weniger Menschen übernehmen die Finanzierung des Stromnetzes – eine langfristig nicht tragbare Entwicklung. Netzentgelte müssen daher so umstrukturiert werden, dass sie die tatsächlichen Kosten widerspiegeln – mit höheren Kapazitätsentgelten und niedrigeren volumetrischen Gebühren.
Wenn faire Wettbewerbsbedingungen herrschen (also kein Eigenverbrauchprivileg), werden sich Heimanlagen schwer tun gegen viel günstigere große PV und BESS Systeme zu bestehen. Die Realität ist, dass kleine Anlagen wahrscheinlich nur eine Nische für Hobbystromer und Enthusiasten bleiben werden. Falls wir weiterhin Ineffizienz subventionieren, werden wir auf zunehmenden öffentlichen Widerstand stoßen und eine Abwanderung energieintensiver Industrien riskieren.
Genauso wie wir uns nicht mit Gemüse aus dem eigenen Garten selbst versorgen können, können wir eine industrielle Wirtschaft nicht allein mit Solarstrom vom Hausdach betreiben. Deutschland lebt von industrieller Produktion. Es mag nicht sonderlich romantisch sein, aber es ist an der Zeit, sich dieser Realität zu stellen.
Fragen, die Sie jedem Energiepolitiker stellen sollten
„Berücksichtigt Ihr Vorschlag die Kostenunterschiede zwischen kleinen und großen erneuerbaren Energieprojekten? Wie stellt er sicher, dass Ressourcen effizient genutzt werden, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu maximieren?“
Endlich Freiheit
Im Jahr 2023 importierten wir 3.200 TWh an Öl, Gas und Kohle sowie 12 TWh an Strom. Erneuerbare Energien sind größtenteils inländisch erzeugt und verringern unsere Abhängigkeit von autokratischen Staaten. Deutschland ist eine Handelsnation, und Handel ist grundsätzlich positiv zu bewerten! Doch in der heutigen Zeit wird immer deutlicher, dass erneuerbare Energien uns mehr Freiheit und Unabhängigkeit von Autokratien verschaffen.
Die andere Freiheit, die wir anstreben sollten, ist die Freiheit von staatlicher Einmischung. Der globale Trend geht derzeit dahin, staatliche Eingriffe zu reduzieren und den Märkten mehr Handlungsspielraum zu geben. Diesen Wandel begrüßen wir im Kern. Wir würden eine starke und verbindliche CO₂-Bepreisung durch das EU-ETS sowie hohe CO₂-Preise anstelle des oft bürokratischen EEG bevorzugen, um den Erneuerbaren Ausbau weiter voranzutreiben. Auch wenn dies den Ausbau erneuerbarer Energien möglicherweise verlangsamen könnte, müssen wir uns fragen: Sind starre Ausbauziele wirklich unantastbar? Der Sektor wurde sehr lange geschützt – es ist an der Zeit, dass er auf eigenen Beinen steht und lernt, mit Risiken umzugehen.
Bürokratische Hürden beim Smart-Meter-Rollout müssen beseitigt werden, um die Einführung kostengünstig zu beschleunigen. Das Laden von Elektrofahrzeugen während sonniger Nachmittage ist ein entscheidender Schritt – dafür brauchen wir Smartmeter. Netzanschlüsse sollten marktorientiert vergeben und bepreist werden, wobei Investoren in wettbewerbsorientierten Ausschreibungen bieten sollten.
Schließlich sollte der Bau neuer Kernkraftwerke legal sein, sofern sie ihre vollen Kosten decken. Realistisch betrachtet wird jedoch niemand investieren – Kernkraft ist zu teuer, zu komplex und politisch nicht durchsetzbar in einem Land, das schon mit der Genehmigung neuer Stromleitungen Schwierigkeiten hat.
Fragen, die Sie jedem Energiepolitiker stellen sollten
„Erkennt Ihr Vorschlag an, dass der Sektor für erneuerbare Energien mittlerweile gereift und eigenständig tragfähig ist, oder enthält er weiterhin unnötige Schutzmaßnahmen, die marktorientiertes Wachstum behindern?“
„Wie stärkt Ihr Vorschlag die Energiesicherheit Deutschlands und unsere Unabhängigkeit von autokratischen Staaten, während er gleichzeitig eine sichere und bezahlbare Energieversorgung gewährleistet?“
Fazit
Trotz Kritik aus konservativen Kreisen bleibt die Energiewende eine der besten politischen Entscheidungen Deutschlands. Ja, sie ist herausfordernd und teuer – aber das war uns von Anfang an bewusst. Fehler wurden gemacht und werden auch weiterhin gemacht – das ist normal, wenn man Risiken eingeht.
Der Schlüssel liegt darin, umweltschädliche Technologien pragmatisch zu ersetzen, technologische Vorteile zu nutzen und Kostendisziplin zu bewahren. Die größte Krise, der die Menschheit gegenübersteht, ist der Klimawandel. Ihn zu stoppen, ist unser Job.