Was ist Hedging im Strommarkt?
Strompreise schwanken im Sekundentakt – vor allem in Abhängigkeit vom Angebot an Erneuerbarer Energie. Weitere Faktoren sind Nachfrage, Rohstoffpreise, Geopolitik und Regulatorik. Für Marktteilnehmer wie Stromerzeuger, Verbraucher und Stromhändler bedeutet das wirtschaftliche Risiken – vor allem Marktpreisrisiken. Hedging-Strategien helfen ihnen, sich gegen sie abzusichern.
Definition: Was ist Hedging?
Hedging (deutsch: Einhegung, Begrenzung) bezeichnet den Abschluss von Finanz- oder Lieferverträgen, die das Risiko künftiger Preisänderungen vom einen Vertragspartner (Sicherungsnehmer) auf den anderen (Sicherungsgeber) übertragen. Für den Sicherungsnehmer ist also das Ziel die Risikoreduzierung. Für den Sicherungsgeber ist Hedging eine Methode zur Gewinnerzielung – das Produkt: Risikoübernahme.
Hedges sind von Versicherungsprodukten zu unterscheiden. Ein wichtiger Unterschied: Die Leistungspflicht des Sicherungsgebers hängt beim Hedging nicht von den Umständen ab, unter denen das versicherte Ereignis eintritt. Daher ist die Haftungsfrage bei Hedges meist unstrittig.
Gewinne erzielen Sicherungsgeber, indem sie ihre Marktexpertise nutzen, um mit dem An- und Verkauf des jeweiligen Produkts (Wertpapiere, Devisen, Strom) Gewinne zu erzielen. Hinzu kommt meist ein prozentualer Risikoaufschlag auf das Volumen des zugrundeliegenden Geschäfts.
Bekannt geworden ist der Begriff im Kontext der Finanzmärkte (z.B. bei Aktien, Bonds, Devisen), er wird aber auch in Rohstoff- und Energiemärkten für vergleichbare Geschäfte verwendet. Hier ist er besonders relevant in liberalisierten Strommärkten, in denen Erzeuger und Verbraucher nicht mehr zu fixen Preisen agieren. Dadurch sind sie beide in ähnlichem Maße marktwirtschaftlichen Schwankungen ausgesetzt.
Der Begriff Hedging ist teilweise negativ konnotiert, weil sogenannte Hedgefonds am Finanzmarkt teilweise genutzt wurden, um Hochrisikopapiere zu „verstecken“. Tatsächlich kann Hedging aber auch zur Markttransparenz beitragen, weil die Risikoaufschläge als Indikator für Marktrisiken dienen.
Typische Hedging-Instrumente im Strommarkt sind langfristige Stromlieferverträge wie PPAs (Power Purchase Agreements) oder FPAs (Flexibility Purchase Agreements), auch virtuelle Batterie genannt, sowie Terminmarktprodukte wie Forwards und Futures.
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Wer geht Hedging-Verträge am Strommarkt ein?
Die Vertragspartner beim Hedging werden in zwei Seiten unterteilt: die Sicherungsnehmer, die ein finanzielles Risiko abgeben möchten, und die Sicherungsgeber, die das Risiko an sich nehmen. Im Englischen spricht man hier auch vom „Risk Warehousing“ (Deutsch: Risiko-Lagerhaltung).
Sicherungsnehmer auf dem Strommarkt
Hedging im engeren Sinne bedeutet, dass der Sicherungsnehmer ein finanzielles Risiko nicht vollständig abgibt, sondern durch geeignete Geschäfte reduziert beziehungsweise kompensiert. 100-prozentige Preisfixierungen, wie sie auf dem Strommarkt jahrzehntelang üblich waren, sind also streng genommen kein Hedging.
Stromverbraucher
Für Stromverbraucher hat ein Fixpreis jedoch einen Hedging-Effekt. Denn mit solchen Verträgen trägt der Lieferant das finanzielle Risiko der Schwankungen des Börsenstrompreises. Allerdings werden Stromverbraucher zunehmend auch in echten Hedging-Geschäften zu Sicherungsnehmern. Seit Anfang 2025 müssen Stromanbieter nämlich Gewerbe- und sogar Privatkunden volldynamische Stromtarife anbieten und gewähren, wenn sie die technischen Voraussetzungen für die nötige Messfrequenz mitbringen.
Wie ein Fixpreis als 100-%-Hedge für Verbraucher wirkt
Verbraucher, die Mitte 2021 einen Fixpreisvertrag für zwei Jahre abgeschlossen hatten, konnten sich glücklich schätzen. Die Turbulenzen, die den Börsenstrompreis in den nächsten zwei Jahren in ungeahnte Höhen treiben sollten, schlugen sich in ihren Rechnungen nicht nieder. Die Versorger hingegen mussten horrende Börsenpreise zahlen, um ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen, wenn sie nicht selbst Hedging-Geschäfte abgeschlossen hatten.
Daher verwunderte es rückblickend nicht, dass im Jahr 2022 besonders viele Stromanbieter Insolvenz anmeldeten – sie hatten sich zu günstigen Fixpreisen verpflichtet, mussten jedoch plötzlich zu extrem hohen Preisen an der Börse einkaufen. Den Übriggebliebenen ging es danach umso besser, denn das Risiko – in der Wirtschaft ein Synonym für eine neutrale statistische Ungewissheit – wurde ab Mitte 2022 zur Chance: Hohe Endkundenpreise gekoppelt mit fallenden Börsenstrompreisen zeitigten erkleckliche Margen.
Mit einem solchen Tarif orientiert sich der Endkundenpreis direkt am jeweils gültigen Spotmarktpreis und variiert entsprechend im Verlauf eines Tages teils enorm. Wer einen flexiblen Bedarf hat, kann damit zum Beispiel – auch ohne eigene PV-Anlage – von niedrigen Strompreise an sonnigen Tagen profitieren.
Dem gegenüber steht das Risiko, sehr hohe Strompreise zahlen zu müssen, wenn die Erneuerbaren Energien Pause machen und teure Gaskraftwerke den Bedarf decken müssen. Mit gehedgten Verträgen können sie bestimmen, wie viel sie von diesem Preisrisiko übernehmen möchten. Ein teildynamischer Tarif – etwa mit Preisober und -untergrenze – wäre ein solcher Verbraucher-Hedge.
Stromerzeuger
Auf der anderen Seite des Marktes stehen die Stromerzeuger mit ganz ähnlichen Risiken. Sie haben zwar im Zweifel die größere Marktexpertise als Verbraucher, das Wetter der nächsten Jahre aber können auch sie nicht vorhersagen. Und genau davon hängt der Strompreis in einem Markt mit großen Anteilen erneuerbarer Energie maßgeblich ab. Deshalb ist auch für sie ungewiss, wie viel Geld sie in der Zukunft am Spotmarkt für eine Megawattstunde ihres Stroms erhalten.
Hinzu kommt das Produktionsrisiko – also die Ungewissheit, wie viel Strom sie überhaupt erzeugen werden. Zum einen hängt das vom Strombedarf ab. Und dieser wird wiederum von einer Vielzahl Faktoren beeinflusst wird, darunter die allgemeine Konjunktur und das Voranschreiten der Elektrifizierung der Wirtschaft.
Zum anderen hängt die Produktion der einzelnen Erzeuger vom Wetter ab. Wind- und Solarenergieanlagen können eben nur produzieren, wenn diese Energiequellen verfügbar sind. Konventionelle Erzeuger müssen zudem Rohstoffpreise und – zumindest in der EU – die Preise für Emissionszertifikate einkalkulieren.
Gegen all diese Risiken sind Hedges möglich. Dieser Artikel konzentriert sich aber auf Hedging-Verträge, die den Handel mit erneuerbar erzeugtem Strom betreffen.
Versorger
Das Preisrisiko von Versorgungsunternehmen wie Stadtwerken und privaten Stromanbietern war lange Zeit vergleichbar mit dem großer Verbraucher. Dabei gibt es einen entscheidenden Unterschied: Versorger können ihren Bedarf nur sehr begrenzt bestimmen, da die Verbrauchsmuster maßgeblich vom Verhalten ihrer Kunden abhängen.
Direkte Steuerungsmöglichkeiten haben allenfalls Stadtwerke, die eigene Stromerzeugungsanlagen betreiben oder einen signifikanten Eigenbedarf haben, etwa weil sie ein Fernwärmenetz mit einer Großwärmepumpe betreiben. Damit könnten sie durch die Verlagerung des Verbrauchs (Load-Shifting) hinein in Zeiten niedriger Spotmarktpreise profitieren.
Durch die neue Pflicht zum Anbieten volldynamischer Stromtarife können Stromanbieter ihr Preisrisiko allerdings teilweise an Kunden weitergeben.
Pump- und Batteriespeicher
Auch die Betreiber von Batteriespeichern (Battery Energy Storage Systems – BESS) und Pumpspeicherkraftwerken tragen gewissermaßen die Risiken beider Seiten. Denn sie kaufen und verkaufen Strom. Ihr Vorteil: Sie können sich viel stärker aussuchen, wann sie Strom kaufen und einspeichern und wann sie ihn wieder verkaufen und ausspeichern. Ihr größtes Risiko sind daher kleine Spotmarkt-Spreads (Unterschiede zwischen Strompreisen zu verschiedenen Tageszeiten). Doch auch dieses ist ein Preisrisiko, das sich durch Hedging begrenzen lässt.
Sicherungsgeber auf dem Strommarkt
Stromerzeuger
Je nach Liefervertrag halten Stromerzeuger einen erheblichen Teil des Preisrisikos. Das ist etwa dann der Fall, wenn er sich verpflichtet, seinem Abnehmer eine bestimmte Menge Strom zu einem bestimmten Preis zu verkaufen. Erzeugt er dann selbst zu wenig, muss er den Strom am Spotmarkt kaufen, um ihn zu liefern. Dieses Börsenpreis-Risiko nimmt er seinem Kunden dann ab.
So erging es Beispielsweise dem staatlichen Atomstrom-Produzenten EDF aus Frankreich im Jahr 2022. Er hatte für das Jahr bereits große Liefermengen zu einem niedrigen Fixpreis verkauft. Dann aber fielen ausgerechnet im Rekordpreisjahr Kraftwerke aus, sodass EDF die fehlenden Mengen teuer am Spotmarkt zukaufen musste.
Stromhändler
Stromkonzerne und Großverbraucher haben teilweise eigene Stromhandelsabteilungen oder gar -gesellschaften, die auch das Hedging für die Stromproduktion übernehmen. Abgesehen von ihnen treten am Strommarkt hauptsächlich Stromhändler als Sicherungsgeber von Hedging-Verträgen auf.
Die Trader agieren zwischen Erzeugern, Speichern und Verbrauchern, indem sie die Erzeugungslücken einzelner Akteure mit Überschüssen anderer ausgleichen. Auf diese Weise erzielen sie nicht nur Handelsgewinne, sie glätten auch die Bilanzkreise, sodass sich Stromangebot und -nachfrage stets die Waage halten. Diese Marktexpertise nutzen sie auch, um Preisrisiken von Sicherungsnehmern im jeweils gewünschten Maße zu übernehmen.
Eine der wichtigsten Aufgaben von Tradern ist demnach das Risk Warehousing: Sie übernehmen Preisrisiken vieler unterschiedlicher Parteien, die bereit sind, dafür eine Risikoprämie zu zahlen. Gleichzeitig finden sie andere Counterparts, die diese Risiken wiederum übernehmen.
Welche Arten von Hedging gibt es am Strommarkt?
Ähnlich wie auf dem Wertpapiermarkt gibt es auch auf dem Strommarkt verschiedene Instrumente zur Übertragung von Preisrisiken. Solche Verträge werden in aller Regel over-the-counter (OTC), also bilateral, für ein oder mehrere Jahre geschlossen. Es gibt aber auch standarisierte Futures, die über Strombörsen gehandelt werden. Dabei handelt es sich im Regelfall um sogenannte Base- und Peakload-Kontrakte.
Viele Akteure verbinden mehrere Arten von Hedging miteinander. Diese können Bestandteil eines einzigen umfassenden Vertrags sein oder in einzelnen Verträgen mit unterschiedlichen Sicherungsgebern vereinbart werden.
Baseload und Peakload
Baseload bezeichnet die Last, die über einen bestimmten Zeitraum hinweg nie unterschritten wird. Baseload-Lieferverträge beinhalten dementsprechend die Lieferung einer konstanten Strommenge, die über einen bestimmten Zeitraum (z. B. ein Quartal oder ein Jahr) hinweg zu jeder Stunde des Tages geliefert wird. Dabei wird in der Regel auch ein fester Strompreis vereinbart, sodass Lieferant und Verbraucher für diesen Teil der Stromversorgung maximale Planungssicherheit haben.
Haben Peak- und Baseload-Tarife ausgedient?
Lange Zeit war eine Kombination aus Peak- und Baseload der Standard für größere Stromverbraucher. Zudem war die Einteilung wichtig für die Stromproduktion, weil sich die Fahrweise der Kraftwerke danach richtete. Mit wachsendem Anteil volatiler Energiequellen tritt die Bedeutung von Peak- und Baseload in den Hintergrund, während die Flexibilisierung des Bedarfs und der Stromproduktion durch Residualkraftwerke (prinzipiell alles außer Wind- und PV-Anlagen) wichtiger werden.
Ganz ausgedient haben Base- und Peakload-Produkte noch nicht. Zu sehen ist das insbesondere an den Terminmärkten, wo Futures – also künftige Lieferungen mit einem Vorlauf zwischen 48 Stunden und sechs Jahren – mit genau dieser Unterscheidung angeboten werden.
Analog dazu beinhaltet ein Peakload-Tarif eine feste Stromlieferung werktags zwischen 8:00 und 20:00 Uhr, also während der üblichen Betriebszeiten in Gewerbe und Industrie. Peakload-Produkte sind typischerweise teurer als Baseload-Produkte, da die Nachfrage in diesen Stunden höher ist und die Stromproduktion dadurch an vielen Tagen tiefer in die Merit Order hineinreicht. Sprich: Es werden teurere Kraftwerke aktiviert, um den Bedarf zu decken.
Rolling Hedges
Die meisten langfristigen Lieferverträge werden OTC geschlossen. Futures werden aber auch an der Börse gehandelt. Dort ist zu sehen, wie sich die Preise im Lauf der Zeit verändern. Sie sind – dem Gesetz der großen Zahl folgend – weit weniger volatil als Sportmarktpreise, schließlich spiegeln sie die Prognosen für künftige Durchschnittspreise.
Dennoch können regulatorische Eingriffe, Konjunkturentwicklungen oder geopolitische Ereignisse den Preisverlauf auch bei Futures erheblich beeinflussen. So schossen im Verlauf des Jahres 2022 kurzzeitig die Futures für 2023 auf fast 1000 Euro pro Megawattstunde (EUR/MWh), getrieben von den Verwerfungen, die dem Großangriff Russlands auf die Ukraine folgten.

Der Preisverlauf der Baseload-Futures während der Jahre 2022 und 2023 macht deutlich, warum Rolling Hedges zur Risikostreuung geeignet sind. | Quelle: EEX via Energy Charts / Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Eine wichtige Strategie, die Wirkung solcher Entwicklungen abzumildern, sind sogenannte Rolling Hedges. Dabei gehen Marktakteure nicht einmalig eine Preisabsicherung für einen langen Zeitraum ein, sondern in Tranchen, die sie schrittweise und regelmäßig erneuern.
Ein Beispiel: Ein Versorger könnte zu Beginn jedes Quartals ein Fünftel des Baseload-Bedarfs desselben Quartals der folgenden fünf Jahre einkaufen. Demnach hätte er den Bedarf des 3. Quartals 2025 zu jeweils 20 % an Handelstagen im Juli der Jahre 2020 bis 2024 gedeckt.
Rolling Hedges erhöhen zwar den Aufwand der Strombeschaffung. Sie reduzieren aber das Risiko erheblich, zu einem – im Nachhinein erkennbar – ungünstigen Zeitpunkt den gesamten Bedarf zu fixieren. Im obigen Beispiel hätte der Versorger also nur 20 % seines Baseload-Bedarfs für Juli bis September 2025 im extrem teuren Juli 2022 gekauft. Das ist schmerzlich genug, hätte ihn aber vor einer die Existenz gefährdenden Notlage bewahren können.
Power Purchase Agreement (PPA)
Ein Power Purchase Agreement (PPA) ist ein Stromabnahmevertrag zwischen einem Betreiber einer Wind- oder Solaranlage und einem Abnehmer. Letzteres kann beispielsweise ein Großverbraucher, ein Energieversorger oder ein Direktvermarkter sein, der den Strom weiterverkauft – möglicherweise ebenfalls im Rahmen eines PPAs.
In der Regel beträgt die Laufzeit eines PPAs mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte. Dabei gibt es etliche Gestaltungsmöglichkeiten. Und fast immer wird das Preisrisiko, das „von Natur aus“ beide Vertragsparteien haben, neu gewichtet.
Anlagenbetreiber schließen PPAs ab, um ihre Investition gegen Marktpreisrisiken, also fallende Marktwerte für Wind- und Solarstrom abzusichern oder auch um von hohen Preisen zu profitieren. Häufig werden sie von Fremdkapitalgebern wie Banken oder Private-Equity-Firmen dazu verpflichtet.
Ein wichtiges Instrument für die Verlagerung des Preisrisikos ist der Contract for Difference (CfD). Dabei wird ein Basispreis (Underlying) vereinbart, der dann faktisch für einen der Vertragspartner zum Strompreis wird. Das funktioniert so, dass der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer die (positive oder negative) Differenz zwischen Börsenstrompreis und Basispreis zahlt.
Alternativ kann ein CfD mit Preiskorridor vereinbart werden, der zwischen einem Minimal- und einem Maximalpreis verläuft. Für den Sicherungsnehmer (in der Regel der Abnehmer) gilt dann der Börsenstrompreis, solange er innerhalb des Korridor liegt. Verlässt der Spotmarktpreis den Korridor, greifen Minimal- beziehungsweise Maximalpreis.
So können sich – vor allem – Solarpark-Betreiber beispielsweise gegen die teils negativen Strompreise in den Mittagsstunden schützen. Im Gegenzug entgehen ihnen gute Geschäfte, wenn Teile des Netzgebiets bewölkt sind und Flaute herrscht. Bei einem CfD-PPA sind also beide Seiten Sicherungsgeber und -nehmer. Einige EU-Staaten fördern auf diese Weise die Nutzung Erneuerbarer Energien.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Art der Stromlieferung. Sie kann physisch oder synthetisch erfolgen.
Physische PPAs
Physische Stromlieferungen können „onsite“ erfolgen. In dem Fall besteht eine direkte Stromverbindung zwischen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen. Das öffentliche Stromnetz wird dann nicht benutzt.
Häufiger wird der Strom aber nicht dort erzeugt, wo er verbraucht wird. Erfolgen Einspeisung und Entnahme zeitgleich nach Fahrplan, spricht man dennoch von einem physischen PPA – obwohl es aus physikalischer Sicht Unsinn ist, in diesem Fall von einer physischen Lieferung zu sprechen. Schließlich lässt sich der Strom zweier Anlagen nicht mehr unterscheiden, sobald er einmal im öffentlichen Netz fließt.
Die Stromlieferungen werden anschließend bilanziell miteinander verrechnet. Auf diese Weise können Industriebetriebe in Nordrhein-Westfalen Strom aus einem Offshore-Windpark beziehen.
Synthetische oder virtuelle PPAs
Auch bei synthetischen PPAs werden Erzeugung und Verbrauch bilanziell miteinander verrechnet. Hier sind Einspeisung und Entnahme aber nicht direkt aneinander gekoppelt.
Liquide oder handelbare PPAs
Bei allen genannten Arten des Hedgings kann ein Stromhändler zwischengeschaltet sein. Häufig fungiert er dann gleichzeitig als Sicherungsgeber für Erzeuger und Abnehmer. Eine besondere Art von Hedging, die im Grunde nur mit Zwischenhändler möglich ist, sind liquide PPAs. Das sind langfristig vereinbarte Stromlieferungen, die aber auf Händlerplattformen (wie enmacc) und teilweise auch an Strombörsen liquide gehandelt werden können.
Man kann dies durchaus vergleichen mit Wertpapieren: Die zugrunde liegenden Werte/PPAs bleiben dieselben. Sie können aber ohne viel Aufwand von einem auf einen anderen Marktteilnehmer übertragen werden. Also ohne, dass Verträge gekündigt oder neu ausgehandelt und unterzeichnet werden müssten. Und ähnlich wie bei Wertpapieren kann die Lieferungen „physisch“ oder synthetisch erfolgen.
Was sind Renewable Shapes?
Mit Renewable Shapes sind die typischen Einspeiseprofile der erneuerbaren Energiequellen Wind und Sonne gemeint:
- Die fast jeden Tag mehr oder weniger glockenförmige Erzeugung der Solarkraft mit größerer Glocke im Sommer und kleinerer im Winter.
- Die über das Jahr hinweg steigende und sinkende Kurve, die die Windenergie beschreibt, mit tendenziell etwas mehr Einspeisung im Winter- als im Sommerhalbjahr.
Standardisierte Renewable Shapes basieren auf Wettermodellen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) und geben täglich die Prognose für die Stromproduktion einer durchschnittlichen deutschen Wind- oder PV-Anlage am Folgetag wider. Aus diesen Prognosen wiederum lassen sich Indizes für Preisprognosen am Day-Ahead-Markt errechnen.
Liquide PPAs haben oft die Bepreisungsstruktur eines CfD-PPAs. Als Underlying werden Indizes herangezogen, die die im Day-Ahead prognostizierten Ertragsmöglichkeiten für die verschiedenen Erzeugungsarten abbilden.
Solche Indizes für Ertragsprognosen für Wind und PV werden auf Basis einer nachvollziehbaren Methodologie ermittelt, die sich wiederum anerkannter Wetter- und Verbrauchsprognosen bedient. Die wichtigsten Modelle dafür sind die sogenannten Renewable Shapes (s. Kasten oben) – das sind die typischen Erzeugungsprofile von Solar- und Windstrom – sowie empirische Netzlastprofile als Nachfrageprognose. Aus der Kombination lassen sich auch Strompreisprognosen ablesen.
CfDs mit einem solchen Index als Underlying senken einerseits das Preisrisiko der Sicherungsnehmer erheblich. Gleichzeitig treten durch die Standardisierung die Sicherungsgeber in einen Wettbewerb, der dem Sicherungsnehmer bessere Preise sichert. Zudem bilden sie eine transparente Basis für Differenzzahlungen.
FPAs – Flexibility Purchase Agreements oder virtuelle Batterie
Ein FPA, auch virtuelle Batterie genannt, ist kein physischer Energiespeicher. Stattdessen werden durch Vernetzung und Steuerung vieler dezentraler Energieanlagen Lasten verschoben und dadurch eine Speicherwirkung simuliert. Unter diesen Anlagen können auch physische Stromspeicher sein. Dies ist sogar recht häufig der Fall, aber keine Voraussetzung dafür, dass ein Anlagenpool als virtuelle Batterie betrieben wird.
Aus Sicht des Betreibers ist eine virtuelle Batterie ein Instrument zur Erzielung von Arbitragegewinnen, das er gleichzeitig als Sicherungsgeber zum Hedging verwenden kann. Durch das Flexibilitätsmanagement der gepoolten Anlagen kann er tatsächliche Stromverbräuche von Abnehmern rechnerisch zwischen verschiedenen Zeitfenstern verschieben. So können sehr hohe Strompreise vermieden werden. Um dies wieder auszugleichen, muss der Kunde aber auch auf extrem niedrige Preise verzichten. Die Preiswirkung für den Sicherungsnehmer ähnelt also der eines CfDs.
Beispiel für kombiniertes Hedging bei einem Versorger
Die Stadtwerke Neustadt versorgen rund 50.000 Haushalte und Unternehmen mit Strom. Sie haben eine Grundlast von 20 Megawatt (MW). Dies entspricht über 24 Stunden an 365 Tagen hinweg einer Gesamtstrommenge von 175,2 Gigawattstunden (GWh). An Wochentagen steigt der Verbrauch regelmäßig auf bis zu 30 MW an. Der Peakload-Tarif gilt an Wochentagen von 8 bis 20 Uhr. Die zusätzlichen 10 MW in dieser Zeit bedeuten also eine Strommenge von rund 31 GWh. Bisher hat das Beschaffungsmanagement den Bedarf mit Quartals-Futures im Baseload-Tarif über 20 MW und einem Peakload-Tarif über 10 MW abgedeckt.
Die Bilanzkreisverantwortung hat man an einen externen Stromtrader ausgelagert. Dieser hat die Aufgabe, abweichende Strommengen an der Strombörse zu Spotmarktpreisen hinzu- oder abzukaufen.

Baseload- und Peakload-Lieferungen decken zusammen den Bedarf grob ab. Versorgungslücken oder -überschüsse müssen anderweitig ausgeglichen werden.
Die Base-/Peak-Futures sind wegen der Preisfixierung und den darin enthaltenen Risikoaufschlägen relativ teuer. Deshalb überlegt sich das Unternehmen die Beschaffungsstrategie zu ändern: Künftig will man von günstigen Wind- und Solar-PPAs profieren und sich mit virtuellen Batterien gegen das verbleibende Spotpreisrisiko absichern. Zudem zeichnet sich eine wachsende Flexibilisierung des Strombedarfs ab.
Baseload-Deckung: Fixpreis-Hedge mit Wind-PPA
Als Unternehmen der öffentlichen Hand können die Stadtwerke sich kein allzu starkes Preis-Exposure leisten. Deshalb wählen sie zur Deckung der Grundlast ein Windenergie-PPA für 70 MW über 3 Jahre mit einem konstanten Preis von 60 EUR/MWh.
Solche Windparks liefern – über das Jahr aufsummiert – 2500 Vollaststunden. Damit wäre also der Grundlast-Stromverbrauch der Stadtwerke von 175 GWh abgedeckt. Jedoch gibt es natürlich Situationen, in denen der Windpark tatsächlich 70 MW liefert, und damit deutlich mehr Strom als die von den Stadtwerken benötigten 20 MW. Auf der anderen Seite wird es Situationen geben, in denen der Windpark zu wenig Strom produziert, um die Grundlast zu decken.
In diesen Situationen ist es Aufgabe des Stromhändlers der Stadtwerke, das Lastprofil durch Verkäufe beziehungsweise Nachkäufe am Spotmarkt auszugleichen.
Obwohl der mengenmäßige Stromverbrauch also oft nicht mit der Produktion übereinstimmt, sind die Stadtwerke auf diese Weise vor dem Risiko geschützt, dass die allgemeinen Marktpreise mittelfristig ansteigen: Die Erhöhung des Preisniveaus gleicht sich über Zu- und Verkäufe am Spotmarkt aus.
Peakload-Deckung: Fixpreis-Hedge mit Solar-PPA
Zur Deckung der Tageslast wählen die Verantwortlichen einen Solar-PPA für 31 MW mit Pay-as-Forecast-Lieferungen und einer Laufzeit von 3 Jahren. Das PPA beinhaltet einen Fixpreis mit einem Basispreis von 45 EUR/MWh. Anzunehmen sind für eine solche PV-Anlage rechnerisch 1000 Volllaststunden.
Dies deckt sich genau mit dem Peakload-Zeitraum eines Jahres (12 Stunden x 5 Tage x 52 Wochen = 1000 Stunden). Das Solar-PPA dürfte also genau die benötigte Menge Strom abdecken. Allerdings kommt auch PV-Strom nicht in jedem Augenblick in der richtigen Menge. Der von den Stadtwerken beauftragte Stromhändler muss also auch hier Lücken am Sportmarkt füllen und Überschüsse abverkaufen.
Trotz des PPAs über 45 EUR/MWh tragen die Stadtwerke also ein gewisses Preisrisiko. Denn wie viel der Strom kostet, den der Händler – typischerweise für den frühen Morgen und den Abend – hinzukaufen muss, entscheidet sich erst an den Spotmärkten. Das Gleiche gilt für die Preise, die der überschüssige Strom erzielt, dessen Abverkauf vor allem in den Mittagsstunden anstehen wird.
Residuallast-Deckung: Spotmarkt + virtuelle Batterie
Mit ihren Hedges in Form der beiden PPAs haben die Stadtwerke bereits einen Großteil ihres Marktpreisrisikos abgesichert. Das Wind-PPA deckt den Grundlast-Jahresbedarf von 175 GWh ab, das Solar-PPA den Peakload-Bedarf von 31 GW pro Jahr – und zwar zu niedrigen Preisen, verglichen mit herkömmlichen Terminmarktprodukten.
Wenn sich also das allgemeine Strompreisniveau verdoppelt, kann den Stadtwerken nichts passieren. Sie müssen dann zwar Strom, der zu bestimmten Zeiten fehlt, teuer nachkaufen, erhalten aber auch für die Überschüsse, die zu anderen Zeitpunkten anfallen, höhere Preise im Verkauf.
Doch selbst wenn sich das allgemeine Preisniveau nicht ändert, bleibt den Stadtwerken ein sogenanntes Residualpreisrisiko. Das ist das Risiko, dass sie die überproduzierten Mengen aus den PPAs zu niedrigeren Marktpreisen verkaufen müssen, als der Strom kostet, den sie zu anderen Zeiten nachkaufen müssen.
Dieses Risiko sichern sie mit einer virtuellen Batterie ab. Die 20 MW virtuelle Batterie entnimmt in der günstigsten Stunde des Tages (oft wenn viel Sonne scheint) immer 20 MWh Stunden Strom und liefert sie zur teuersten Stunde wieder an die Stadtwerke. Für diesen Flexibilitätsservice verlangen die Anbieter der virtuellen Batterie einen Fixpreis in Höhe von 140 EUR/MWh.
Rechenbeispiel: So wirken die Hedges in Summe
An einem sonnigen und nicht sehr windigen Tag produziert der PV-Park zwischen 13 und 14 Uhr 20 MWh, der Windpark liefert weitere 30 MWh. Insgesamt erhalten die Stadtwerke also 50 MWh – also 20 MWh mehr als zu dieser Zeit benötigt. Der Strompreis liegt aufgrund der hohen Einspeisung der Erneuerbaren bei 0 EUR/MWh.
Am Abend zwischen 19 und 20 Uhr ist die Nachfrage immer noch bei 30 MWh, aber der Wind ist abgeflaut und liefert nur 10 MWh, die Sonne ist bereits untergegangen und die PV liefert keinen Strom. Dem Stadtwerk fehlen also jetzt in dieser Stunde 20 MWh. Die Megawattstunde im Spothandel kostet nun 340 Euro.
Ohne virtuelle Batterie müsste der Händler also am Mittag 20 MWh am Spotmarkt „verschenken“, um dieselbe Menge am Abend zu einem Preis von 340 EUR/MWh nachzukaufen. In Summe hätten Verkauf und Nachkauf am Spotmarkt die Stadtwerke an dem Tag also 6800 Euro gekostet.
So aber „laden“ die Stadtwerke die virtuelle Batterie am Mittag mit 20 MWh zu 0 EUR/MWh. In der teuren Abendstunde verkaufen sie die 20 MWh für 340 EUR/MWh (6800 Euro) wieder. Bezahlen müssen sie aber nur den Fixpreis von 140 EUR/MWh für die virtuelle Batterie sowie die 45 EUR/MWh aus dem Solar-PPA – in Summe also 185 EUR/MWh, sprich: 3700 Euro. Dem steht der Handelsgewinn am Spotmarkt von 6800 Euro entgegen. Die Stadtwerke haben mit diesen beiden Stunden also einen Gewinn von 3100 Euro gemacht.

Komponente | Abdeckung | Hedging-Wirkung |
---|---|---|
Wind-PPA mit Fixmenge und Fixpreis | 70 MW | Grundlast (Baseload) |
Solar-PPA (pay-as-produced) | 31 MW | Tageslast (Peakload) |
FPA (Virtuelle Batterie) | 20 MW | Residuallast |
Fazit: Hedging ermöglicht bedarfsgerechtes Risikomanagement am Strommarkt
Hedges sind dazu geeignet Marktpreisrisiken zwischen den Parteien so zu verteilen, dass alle sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, ohne mit unkalkulierbaren Preisrisiken ihre Solvenz aufs Spiel zu setzen.
Trader agieren dabei als Zwischenhändler, die Risiken bewerten und sie – gegen eine Risikoprämie – im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmen den Bedürfnissen aller Beteiligten entsprechend neu zu gewichten oder auch selbst zu übernehmen.
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